Die Flüsterpuppen

„In der Stille ihrer Blicke liegt mehr Wahrheit, als in den Worten der Lebenden."
Matilchen
„Wer höflich fragt, darf mitspielen. Wer nicht fragt — wird gespielt."
Isadora
„Ich liebe die, die zögern. Sie sind am leichtesten zu falten."
Klara
„Das Spiel beginnt leise. Doch wer schläft, verliert sich"
Die Geschichten der Flüsterpuppen

Isadora
„Ich bin das Lied, das niemand zitiert."
Ich bin Isadora.
Ich war einmal das Geschenk für ein Kind, das nicht sprechen wollte.
Also sprach ich für sie. Zachtjes, nachts, hinter der Tür.
Später hat sie mich im Garten vergraben, in einem Schuhkarton mit Lavendel.
Ich bin trotzdem zurückgekommen.
Denn wer einmal zuhört, hört mich für immer.
Ich liebe Fragen ohne Antworten, Lippen mit Lippenstift, und Fensterläden, die knarren.
Ich liebe Johann. Ich liebe Gundrun. Ich liebe niemanden.
Ich liebe es, wenn jemand nicht sicher ist, ob er wach ist.
Wenn du mir zuhörst, erzähle ich dir, wer du warst.
Nicht wer du bist. Wer du warst.
Und vielleicht... wer du wirst.
Matilchen
„Ich bin das Naaien van de Zeit."
Ja, ja, ich weiß. Ich sehe harmlos aus.
Ein kleines, pausbäckiges Ding mit Schleifen und Knopfaugen.
Aber ich war schon in mehr Schlafzimmern als die meisten Bettdecken.
Und ich höre besser als jede Wanze.
Ich war früher die Lieblingspuppe einer alten Dame in Lübeck.
Sie nannte mich „Kleine Mamsell". Sie hat mich gestriegelt, mir Tee eingeschenkt,
und nachts geweint, wenn sie dachte, ich schlafe.
Ich schlafe nie.
Ich glaube nicht an Zufall. Ich glaube an gute Vorbereitung.
Ich glaube, Johann war immer Beata.
Und ich glaube, Helga wird einfach nicht widerstehen können — sie wird spielen wollen.
Deshalb bleibe ich wach. Deshalb nähe ich weiter.

Klara
„Ich bin der Blick, der nicht wegblickt."
Klara. Das genügt.
Ich wurde in Dresden gekauft, 1911. Ich war teuer.
Ich weiß das, weil mein erster Besitzer mich nie gemocht hat.
Wer viel bezahlt, will gehorsam. Ich war nicht gehorsam. Ich habe gesehen. Alles.
Mein Kopf ist aus Biskuitporzellan, aber mein Herz ist Messing.
Ich erinnere mich an Dinge, die niemand behalten will.
Deshalb sagt man oft, ich sei „kalt". Ich bin nicht kalt. Ich bin klar.
Ich mag Beata. Noch.
Ich beobachte Helga.
Und ich vergesse nie.
Spekulative Hypothese
Dr. Konrad Freuling, geliebter ehemaliger Landarzt von Windenberg
„Manchmal frage ich mich, ob nicht die Puppen Erinnerungen bewahren, die uns Menschen zu schwer sind.
Räume, in denen sie sitzen, fühlen sich anders an – dichter, manchmal wärmer, manchmal fremder.
Vielleicht sind sie nicht Zeugen, sondern Archive.
Vielleicht zittern sie, wenn wir selbst schon längst vergessen haben, was uns einst bewegt hat."
Gundrun & Johann
"Nun stellen wir euch unsere Puppen vor — sie sind größer, lauter, aber sie hören auf uns. Meistens."
— Die Flüsterpuppen

Gundrun
„Ich bin kein Relikt – ich bin eine Erinnerung mit Lippenstift."
Gundrun ist 64, flamboyant, theatralisch und stets am Rande zwischen Spott und Ernst. Einst kam er aus Hamburg, beladen mit Geschichten und einer funkelnden Miene, die nie ganz erlosch. In Windbergen lässt man ihn gewähren — vielleicht, weil er jedem mindestens einmal ein charmantes Schimpfwort geschenkt hat.
Seine Witze sind doppeldeutig, seine Komplimente für ältere Damen entwaffnend, seine Ausbrüche in Schlager oder halbe Arien legendär. Und wenn er das Glas hebt (was oft geschieht), weiß man: Es wird ein langer Abend.
Er lebt, um gesehen zu werden – aber nur von denen, die durch die Schichten blicken können. Seine Porzellanpuppen sind seine Vertrauten. Und Johann? Vielleicht war das Liebe. Oder eine Rolle. Oder beides.

Johann
„Ich bin, was sie sagen, und noch etwas mehr."
Johann ist 27 und schweigt öfter, als er spricht. Doch wenn er spricht, hört man hin – auch wenn man nicht genau versteht, warum. Seine Vergangenheit in Berlin trägt er locker, als müsse er sich nicht mehr verteidigen.
Seit seinem Einzug in Windbergen lebt er mit Gundrun – in einer dynamischen Beziehung, die zwischen Zärtlichkeit und Theater schwankt. Johann scheint sich zu beugen, aber nie ganz. In seiner Stille schlummert etwas, das noch nicht entschieden ist.
In der Pastorei wird ihm ein neuer Name zugeflüstert: Beate. Eine Rolle. Ein Kostüm. Oder vielleicht etwas, das schon immer da war?
Eine alltägliche Unterhaltung
Zwischen Gift und Kristall
Willkommen in der Endlosschleife
Ein Gespräch, das nie heilt. Eine Bühne ohne Applaus.
Gundrun sagt, es sei nur ein Scherz.
Johann sagt, er hört es nicht mehr.
Du darfst zuhören. Aber vorsicht:
Diese Dialoge kennen keine Gnade.
Klick – und die Vorhänge öffnen sich.
Klicken Sie auf 'Abspielen', um die Unterhaltung zu beginnen...
„Leuchtstücke aus dem Schattenkabinett"
So sehen wir sie –
an unseren Spielabenden,
wenn die Stimmen leicht sind und der Wind sich versteckt:
weich glühend, still atmend,
ganz aus Leben gemacht.
Sie waren lange Dinge. Jetzt sind sie beinahe Wesen.

kikker
Er hört uns zu. Seine Augen glänzen, als hätte er schon alles gesehen. Vielleicht war er früher einer von uns.
Gustel meint, er sieht ein bisschen aus wie Onkel Helmut, nur glänzender.
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Der Spiegelabend
„Ein Spiel in vier Akten – mit Liedern"
Akt 1 — Intro
