Die Schwestern Stiller

Die Schwestern Stiller

Metzgerei – Zwei Stimmen, ein Schnitt

Die Schwestern Stiller betreiben seit ihrer Rückkehr aus Hamburg die Windberger Fleischerei. Sie sprechen wenig mit Kunden, aber immer miteinander. Ihre Bewegungen sind abgestimmt – nicht eingeübt, sondern eingebrannt.

In ihrem Haus riecht es nach Rauch, Teer und etwas Süßem, das niemand sieht. Sie schlafen in getrennten Betten, aber träumen synchron. Ihre Sprache – Stillerspraak – ist nicht erfunden, sondern erwachsen. Aus Fleisch. Aus Feum.

Man nennt sie „die Unheimlichen". Sie selbst sagen:Bröll ist kein Wort. Es ist ein Zustand.Ihre Wände hören mit. Ihre Messer auch.

„Glatz auf Fleisch. Glatz auf Haut. Kein Tropf. Kein Feum."
„Wir lächeln. Aber nicht mit den Augen."
Slagerij achtergrond

„Was Fleisch war, bleibt Fleisch."

Stillerspraak

Keine Geheimsprache. Eine andere Art, die Welt zu halten.

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Ein Haar für die Schuld.
Gloria
Gloria
Schneidemesser mit stumpfer Spitze
Altes rostfreies Stahl mit mattem Holzgriff
Helga
Helga
Kleines Fleischmesser mit auffallend dickem Rücken
Polierter Stahl, mit kühlem Glanz und glattem, elfenbeinfarbenem Griff
Mathilde
Mathilde
Altes Gemüsemesser, leicht gebogen
Rostfreier Stahl mit leichtem Belag; der Griff ist aus mattem Eichenholz, mit einem Fleck von bitterem Kaffee, der nie mehr herausging
Ulrike
Ulrike
Zeremonielles Schneidemesser
Dunkel patiniertes Silber mit einer Einlage aus Bienenwachs und Maiglöckchen
Zoë
Zoë
Jungenhaftes Tafelmesser mit Wellenschliff
Leichter Stahl, Griff aus ungebleichtem Holz, abgenutzt von Zögern
Stiller Eins & Stiller Zwei
Stiller Eins & Stiller Zwei
Professionelle Metzger-Messer im Zwillingspaar
Altes deutsches Stahl, geschmiedet aus einem Werkzeug, das einst beim Ausbeinen eines Ochsen an Allerseelen diente
Flicht & Zwill
Flicht & Zwill
Rituelle Metzger-Messer mit wechselndem Besitzer
Blutmattes Stahl, gehärtet in Stille

Messer & Märchen

Rike:
„Ich halte das Messer –
Mette:
und ich die Erinnerung.“
Rike:
„Wir schneiden die Worte –
Mette:
bis sie weinen oder lachen.“
Rike:
„Kein Märchen ist echt –
Mette:
wenn niemand dabei zittert.“
Rike & Mette (flüsternd):
„Und trotzdem erzählen wir sie.
Immer wieder.
Immer tiefer.“

Stiller: MESSEN UND MÄRCHEN

04.10.2025 – 15.01.2026
Haus der Dinge, Hamburg
„Man schneidet nicht, um zu zerstören. Man schneidet, um zu verstehen.“
Museum Eingang

Interferenzräume: Fleischblicke im Zeitalter des Hyperrealen

Von Dr. Leona Frühabend (Institut für postvisuelle Studien, Leipzig)
„Ich sehe, also bin ich nicht allein.“
(aus dem internen Zwillingsprotokoll, Windbergen 1993)

Was bedeutet es, Fleisch zu zeigen — im Museum, im Bild, im Netz?
Und was bedeutet es, Fleisch zu sehen?

Die Ausstellung Stiller. Fleisch, Macht, Sprache bewegt sich in einem Spannungsfeld zwischen Zeigen und Beobachten, zwischen Intimität und Display. Die Installation der Stillerschen Vitrinen evoziert nicht nur Erinnerungen an provinziellen Konsum und familiären Schrecken, sondern lässt sich auch als frühe, nahezu prophetische Reflexion auf die performative Macht des Blicks lesen.

In einer Zeit, in der das Private längst öffentlich geworden ist — Instagram-Stories, TikTok-Tränen, Beichtformate auf YouTube — erscheint die enge, ritualisierte Welt der Schwestern Stiller zugleich isoliert und visionär. Ihre Sprache (Stillerspraak) kennt keine Zuschauer. Ihre Schnitte wurden nie gefilmt. Ihre Märchen sind nicht dokumentiert, nur erinnert. Und doch: Wir sehen. Wir lesen. Wir stehen davor.
Wer ist hier der Voyeur?

Ist es überhaupt noch möglich, eine Grenze zu ziehen zwischen Echtheit und Inszenierung? Zwischen Fleisch und Bild? Zwischen Dokument und Fantasie?

Die Ausstellung spielt bewusst mit diesen Irritationen. Die Objekte sind real, aber nicht wahr. Die Geschichten sind erfunden, aber nicht gelogen. Das Schweigen ist performativ. Die Stille ist gerahmt.

Und wir? Wir schauen. Vielleicht, um etwas zu fühlen, das nicht uns gehört. Vielleicht, um zu vergessen, dass wir längst Teil der Inszenierung sind.

Stiller Museum Vitrine
Ort: Haus der Dinge, Hamburg
Dauer: 04.10.2025 t/m 15.01.2026
Kuratorin: Mara von Elsner
Szenografie: Janna Veldkamp
Texte & Fiktion: Gerard mit Windbergen-Bewohnern
Achtung: Diese Ausstellung ist fiktiv — alles ist wahr, aber nichts ist echt.