Zoë Liebkind

Zoë Liebkind

Zoë Liebkind

(Windbergen, 1998 – 22 Jahre – wohnt mit ihrer Mutter am Waldrand)

Zoë spricht wenig. Nicht aus Schüchternheit, sondern weil Worte sich oft falsch anfühlen, zu laut, zu hart. Wenn sie doch etwas sagt, klingt es wie ein halbfertiger Satz aus einem Film, den niemand kennt.

Sie arbeitet drei Tage die Woche bei der EDEKA. Immer befristet, nie dieselbe Schicht. Sie beklagt sich nicht, aber sie leuchtet auch nicht, wie andere es tun. Manchmal steht sie einfach da, zwischen Regalen, als würde sie auf etwas anderes warten. Auf was – das weiß sie selbst nicht.

Ihr Zimmer riecht nach Shampoo, altem Papier und Wald. An der Wand hängen zwei Poster: Audrey Hepburn und Christiane F. Dazwischen baumelt ein Glaswindspiel, das niemand sonst hören kann. Unter dem Bett liegen selbstbestickte Handtücher – zu weich, zu schief, mit Mustern, die eher wie Träume aussehen als wie Kunst.

Ihre Mutter nennt sie oft „passiv", aber Zoë schreibt nachts mit Bleistift auf die Tapete. Nicht in Tagebuchform – eher wie Warnungen oder Fragen. Immer knapp über Augenhöhe, damit niemand sie zufällig liest. Auch sie selbst nicht.

Man sagt, sie sei einmal verliebt gewesen, in einen Jungen, der viel lachte, aber nie zuhörte. Den Brief, den sie darüber schrieb, gab sie Helga. Und Helga antwortete.

Zoë glaubt nicht an Happy Ends. Aber manchmal – wenn alle „Windenberg" im Fernsehen schauen – stellt sie sich vor, dass irgendwo eine andere Version von ihr lebt. Eine, die nicht wartet. Eine, die geht.

Zoë's David Bowie playlist

„Anyone who ever gave you confidence, you owe them a lot."

(aus dem Film „Breakfast at Tiffany's", 1961)

(klein, eingeritzt in die Tapete, fast wie eine Erinnerung, die nicht ganz ihr gehört.)

Lichtsplitter

(aus dem Traum)

Zoë schreibt diese Notizen direkt nach dem Aufwachen. Sie weiß nicht, ob sie träumt – oder ob sie sich herinnert, in iemand anders.

Eerste droom venster
Traum Nr. 1
Notiert von Zoë - 23. Oktober 1998
Tweede droom venster
Traum Nr. 2 - Der fremde Raum
Notiert von Zoë - Sommernacht, unklar
Derde droom venster - Die Frau am Bett
Traum Nr. 3 - Die Frau am Bett
Notiert von Zoë - Winternacht, 1998
Vierde droom venster - Puppenwächter
Traum Nr. 4 - Puppenwächter
Notiert von Zoë - Herbst, 1998
Vijfde droom venster - Wände erzählen anders
Traum Nr. 5 - Wände erzählen anders
Notiert von Zoë - Frühjahr, 1999
Zesde droom venster - Licht ohne Form
Traum Nr. 6 - Licht ohne Form
Notiert von Zoë - Ende 1999
Zevende droom venster - Letzter Blick
Traum Nr. 7 - Letzter Blick
Notiert von Zoë - Letzter Traum, 2000

EDEKA

„Zwischen den Regalen entstehen Geschichten, die niemand ausspricht..."

Zoë arbeitet drei Tage die Woche im örtlichen EDEKA. Immer andere Schichten, immer temporär — aber sie beobachtet. Sie sieht, wie die Menschen einander betrachten, ohne zu sprechen. Wie Gedanken zwischen den Regalen wandern, unausgesprochen aber spürbar.

Diese stillen Momente hat sie festgehalten — nicht in Worten, sondern in den Verbindungen zwischen den Menschen. Ein Netzwerk aus Blicken, Hoffnungen, Ängsten und unerfüllten Sehnsüchten.

„Manchmal, wenn ich zwischen den Regalen stehe, kann ich ihre Gedanken hören. Nicht die Worte — die Farben. Jede Emotion hat eine andere Nuance."

— Zoë

Was sie kaufen, wer sie sind

Esther
Esther

Einkaufsliste

Was Zoë beobachtet hat...

Vollkornbrot
Für Kontrolle und Fürsorge
Bio-Hüttenkäse
Gesund und kalorienarm
Lavendelöl
Beruhigend, vielleicht für den Schlaf
Monatskalender A4
Für Struktur und Planung
Batteriesatz (AA)
Für Geräte, die versagen könnten
Koriander (frisch)
Eine unerwartete Wahl
Zoë an der Kasse
An der Kasse

Zoë – an der Kasse

Es ist nichts Besonderes. Und doch.

Der Scanner piept wie immer. Die Milch ist kühl. Der Karton atmet Pappe.

Und plötzlich, während ihre Finger den Karton streifen,
fühlt sie es: ein Kribbeln – kein Gedanke, kein Grund.
Als wäre die Luft ein wenig leichter,
als würde das Licht sie leise grüßen.

Die Orange ist fast zu rund, um echt zu sein.
Das Wechselgeld scheint von Bedeutung.
Jemand lächelt, oder schaut weg – sie weiß es nicht mehr.

Sie ist glücklich. Für einen Moment. Ohne Grund.

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EDEKA Gedankennetz

Die stillen Gedanken im Supermarkt — wer denkt was über wen?

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Zoë
Zoë
Esther
Esther
Helga
Helga
Claus
Claus
Johann
Johann
Gundrun
Gundrun
Anke
Anke
Ralf
Ralf
Mette
Mette

Stimmungslegende

neutral
abneigung
angst
bewunderung
verwirrung
distanz

„Die meisten Menschen gehen einkaufen und sehen nur Produkte. Zoë sieht ein Theater voller ungespielter Szenen — jede Begegnung eine Geschichte, die niemals erzählt wird."

Das Diorama

Es gibt einen Moment – gleich nach Ladenschluss, wenn das Neonlicht noch schwach nachglimmt –
in dem sich der Supermarkt an sich selbst zu erinnern scheint.

Die Regale werden zu Linien.
Die Gänge wiederholen sich.
Alles schrumpft, zieht sich in Bedeutung zurück.

In einem Schuppen am Rande von Windbergen
steht ein Mann über einen Tisch gebeugt.
Ralf – der Postbote –
ein stiller Mann, leicht nach vorne geneigt vom Gehen,
baut sein Dorf neu. Mit Pappe, Holzleim und Geduld.

Er weiß, dass es nicht echt ist.
Er weiß, dass Menschen nicht aus Schaumstoff bestehen.
Aber manchmal…
legt er eine Orange auf eine Theke,
neben ein Mädchen, das sich nicht bewegt.

Sie – Zoë – ein Gedanke aus Plastik –
weiß nicht, dass sie betrachtet wird.
Sie fühlt sich leicht, unerklärlich glücklich,
als hätte jemand sie ausgewählt, für einen Augenblick zu sein.

Ralf sagt nichts.

Aber irgendwo in ihm
hat das Schweigen genau ihre Form.